
Interview mit Tommy Haas
Für Ästheten scheint das Tennis von Tommy Haas beinahe zeitlos zu sein. Im Dress der Herren-30-Mannschaft des TC Großhesselohedemonstrierte der 47-jährige im Spitzenspiel gegen den SV Dresden Mitte zum Genuss der heimischen Zuschauer sein gesamtes Schlagrepertoire, garniert mit seiner einhändigen Rückhand, das ihn bis auf Position 2 in der Weltranglisteführte. Und auch in der Herren-30-Bundesliga, wo er am kommenden Samstag mit seinem Team gegen den Karlsruher ETV die Tabellenspitze erklimmen möchte, ist sein Ehrgeiz ungebrochen. Nach seinem glatten 6:1, 6:1-Sieg gegen den Tschechen David Sodek, das den deutlichen 7:2-Sieg für sein Team einleitete, stellte sich der 15-fache ATP-Titelträger im ausführlichen Interview zur Verfügung.
„Die Tradition im Tennis wird in Deutschland andersgelebt als in den USA“
tennisnet: Herr Haas, Sie bestreiten die fünfte Saisonfür den TC Großhesselohe in der Herren-30-Bundesliga. Beschreiben Sie mal dasGefühl, für solch einen Club anzutreten, gerade auch in Bezug auf das 100-jährigeVereinsjubiläum?
Tommy Haas: Es ist schon etwas ganz Besonderes, hier für dieHerren 30 in der Bundesliga spielen zu können und somit auch ein Teil derbereits 100-jährigen Geschichte des Vereins zu sein. Ich konnte ja hier in derVergangenheit auch in der 1. Herren-Bundesliga für den TCG aufschlagen. Somitist es immer wieder schön, zu diesem traditionellen Club im Süden von Münchenzurückzukehren und dabei auch meine Eltern und Geschwister zu sehen. Ich freuemich auch, wenn meine Kinder bald nachkommen und diese etwas von der Kulturhier mitbekommen. Zudem verstehe ich mich mit den Jungs im Team hervorragendund wir versuchen immer, eine schöne Zeit zu haben und dabei sportlich dasBeste herauszuholen
Sie leben schon lange in den USA. Gibt es dort auch solcheClubs bzw. wie findet Tennis diesbezüglich in den Staaten statt?
Es gibt in den USA andere Clubs, in denen man aber auch alsMitglied dabei ist. Da gibt es wunderschöne Clubs, einer schöner als derandere, die aber nicht so diese Tradition und die Kultur haben wie in vielenLändern Europas. Diese Clubs bestreiten auch keine Matches gegen andereVereine. Das verlagert sich dann mehr ins College-Tennis, wo die verschiedenenUniversitäten gegeneinander antreten und dabei ihren Stolz und ihre Traditionpflegen.
„In Deutschland benötigt man auf jeden Fall die richtigeEinstellung für den Profisport“
Die USA haben aktuell eine große Dichte an erfolgreichenProfispieler:innen. Liegt das an den riesigen Einnahmen als Grand-Slam-Nationnach dem Motto im Fußball „Geld schießt Tore“ oder macht die USTA auch Sachenrichtiger als andere Verbände wie z.B. in Deutschland?
Es hat meiner Meinung nach nicht unbedingt damit zu tun. Wirhaben hier in Deutschland eigentlich auch unglaubliche Voraussetzungen. Wirsind hier in einem der Länder, wo das Leben sehr schön ist und einem auch vieleMöglichkeiten geboten werden. Dies führt natürlich zwangsläufig dazu, dass manauch etwas bequem wird. Umso mehr benötigt man hier auch selbst die richtigeEinstellung für den Profisport, egal woher man kommt. Es sind natürlich einigeLänder im Osten nennen, wo das anders ist. Da haben viele den Traum, malrauszukommen oder woanders zu leben und gehen diesem Ziel deswegen etwas härterund intensiver nach.
Bei den deutschen Herren gibt es vielversprechendeTalente. Wie ist Ihre Einschätzung diesbezüglich?
In Deutschland warten wir natürlich darauf, dass jungeSpieler wieder für Furore auf der Tour sorgen können. Wir haben ja den JustinEngel, der noch relativ jung aber schon sehr griffig und bissig ist, das siehtrichtig gut aus. Diego Dedura hat in München gut gespielt und war sehrentertaining. Vielleicht nach seinem Aufgabe-Sieg dort eine Spur zuentertaining, aber das sehe ich eher positiv, denn das unbedingte Wollen um weiterzukommenist entscheidend. Auch Max Schönhaus ist ein guter Spieler, der vieleMöglichkeiten hat. Ich bin gespannt, was die Jungs in der Zukunft so bringen.
„Einen ‚Super-Slam‘ kann ich mir aktuell nicht vorstellen“
Angelo Binaghi als Präsident des italienischenTennisverbands fordert die Vergabe eines Grand-Slam-Turniers nach Italien undmit Gerard Tsobanian bringt der CEO des Turniers in Madrid eine Art„Super-Slam“ im Verbund mit dem Turnier in Rom ins Spiel, für das er sogar denblauen Sand-Belag wieder thematisiert. Auch Ihr Turnier in Indian Wells wird jaschon seit vielen Jahren als 5. Grand Slam betitelt. Sollte die Vergabe derMajors auf den Prüfstand gestellt werden?
Ich bin da generell schon sehr traditionell eingestellt,gerade mit den vier Grand-Slam-Turnieren. Es wurde ja schon öfters gesprochen,ob es nicht mal einen fünften Slam geben sollte analog dem Golf, die ja nebenihren Vier Slams mit dem PGA-Tour-Event noch einen fünften Slam haben. Für unsin Indian Wells ist es natürlich positiv, dass wir eh schon als 5. Slam zählenund die Spieler dies aufgrund unserer tollen Anlage auch kundtun. Wir warenauch eines der ersten Masters-Turniere, die über 12, 13 Tage gehen und es warnatürlich nur eine Frage der Zeit, wann die anderen Masters-Eventsdiesbezüglich nachziehen. Letztendlich muss man sehen, was am meisten zieht undwer diesbezüglich die Entscheidungen trifft. So einen „Super-Slam“ kann ich mirfast nicht vorstellen, da dann die anderen Masters-Veranstalter auch etwas dazuzu sagen hätten, unter anderem ja auch wir. Wenn es mit einem weiteren Slamkonkret würde, wären wir in Kalifornien sicher weit vorne im Gespräch.
„Alexander Zverev weiß selbst genau, was er noch zu tunhat“
Alexander Zverev war mit drei Grand-Slam-Finals schonganz dicht am großen Coup dran. Wie groß sehen Sie noch den letzten Schritt undwas fehlt ihm Ihrer Meinung nach noch dazu?
Zum einen muss man natürlich anerkennen, dass er bislang schoneine unglaubliche Karriere abgeliefert hat und das Einzige, was wirklich nochfehlt, ist der Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. Ich glaube, er weiß selbergenau, was er da noch zu tun hat. Er war ja schon oft sehr weit bei einemMajor, gerade auch im letzten Jahr bei den French Open, was er auch selbst zuseinem Favoriten-Slam zählt. Ich denke, bei ihm ist es zuletzt auch etwas zurKopfsache geworden. Wir wissen alle, dass er das Spiel dazu hat. In Parismüsste er auf dem Weg zum Titel wohl durch Alcaraz und Sinner gehen, wasnatürlich eine unglaublich schwierige Aufgabe ist. Aber wenn er sich bei demTurnier soweit durchspielen kann, ist er einer der wenigen, die es außer denbeiden schaffen können. Im Finale der Australian Open hat er mit Sinner einfachgegen einen besseren Spieler verloren. Meines Erachtens hat er da noch etwas zupassiv gespielt. Aber wenn er da zukünftig mit etwas mehr Aggressivität undRisiko zur Sache geht, sollte es mit dem Traum vom Grand-Slam-Titel baldklappen.
Mit der Titulierung „Bester Spieler ohneGrand-Slam-Titel“ wurde auch oft Ihr Name in Verbindung gebracht. Empfinden Siedas nachträglich als Wertschätzung oder ist so ein Vergleich eher nervig?
Es ist aus meiner Sicht schon sehr positiv, wenn Fans oderExperten meine Karriere so einstufen. Natürlich denke ich auch selber daran,wenn ich vielleicht nicht so oft verletzt gewesen wäre oder längerdrangeblieben wäre, ob sich dann die Chance auf den Sieg bei einemGrand-Slam-Turnier aufgetan hätte. Durch gewisse Situationen habe ich es haltleider nicht geschafft und gehöre damit bestimmt zu einem Kreis von ca. 10Spielern, die einen Slam hätten gewinnen müssen oder sollen. Sascha gehört daaktuell natürlich auch dazu, aber er hat ja hoffentlich noch mindestens siebenoder acht Jahre, um sein Ziel zu erreichen. Aber es wird mit der Zeit natürlichnicht einfacher.
„Als Coach auf der Tour sehe ich mich vorerst nicht“
Sie haben mal einen Testlauf als Trainer mit demFranzosen Luca Pouille unternommen. Können Sie sich vorstellen, alsFull-Time-Coach auf die Tour zu gehen?
Im Moment kann ich mir das eigentlich nicht so vorstellen.Ich versuche meine Zeit bestmöglich für meine Kinder zu nutzen und bin da derDaddy und der Coach fürs Leben. Generell bin ich ja auch immer vom Ehrgeizgepackt und wenn ich eine solche Rolle als Coach übernehmen würde, für die esja auch schon einige Anfragen gab, dann würde ich das voll übernehmen. Daswären dann aber wieder gut 40 Wochen im Jahr, wo man mit dem Spieler unterwegsist oder zusammen trainiert. Momentan bin ich noch nicht bereit dafür, aber werweiß, was in ein paar Jahren diesbezüglich passiert. Ich liebe diesen Sport,kenne mich da ja ganz gut aus und kann diesbezüglich vielleicht bei einemSpieler oder einer Spielerin mit Ehrgeiz und Biss irgendwann mal behilflichsein.
Dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei den kommendenAufgaben und vielen Dank für das Interview.